Im Moment geschieht ein Wunder. „Der Westen nimmt den Hungernden die Nahrung weg“ – das Thema schafft es in die Nachrichten, in Magazinsendungen und in ausführlichen Artikeln in die Tageszeitungen. Der Schuldige wird gleich mitgeliefert: Biosprit!
Aber halt! Hungern die Leute nicht schon länger? Biosprit ist doch ganz neu und noch mehr eine Idee als Praxis im großindustriellen Maßstab. Zur Erinnerung: Auf vielen Feldern in der 3. Welt werden Produkte für den Export in die reichen Länder angebaut; Kaffee, Tee, Tabak, Ananas, Bananen, Orangen etc. pp. Auf vielen weiteren Feldern wachsen Pflanzen, die als Futtermittel für die Tierzucht in die erste Welt importiert werden. Bekanntlich braucht es sehr viel Biomasse, um ein Kilogramm Rindfleisch zu züchten.
Merke: Wir stehlen den Hungernden traditionell viel Anbaufläche, die nicht mehr für die Versorgung der dort lebenden Bevölkerung zur Verfügung steht. Komisch, daß das nicht erwähnt wird. Stattdessen wird die moralische Keule über dem neuen Produkt Biosprit geschwungen.
Wie kommt es, daß es ein Thema mit verkürzter Argumentationskette spielend leicht in alle Leitmedien schafft, das vorher trotz jahrelanger Informationsarbeit aus dem linksalternativen Sektor nicht den Hauch einer Chance hatte? Das riecht verdächtig nach Kampagne, und wer, Herr Kommissar, hätte ein Motiv? Was ist das Konkurrenzprodukt? Das gute alte Erdöl.
Es ist generell kritisch, wenn Anbauflächen für Lebensmittel verloren gehen, weil sie für andere Zwecke genutzt werden. Aber wie gesagt, das hat eine lange Geschichte, und bevor man den Biosprit verdammt, würde ich vorschlagen, Futtermitteleinfuhren zu verbieten und aus jenem Mais Biosprit zu machen. Wir essen hier eh viel zuviel Fleisch.