Montagabend gab es bei arte info late night einen Bericht über Passagiere in einer air france Maschine, die gegen mit dem Flug durchgeführte Abschiebungen protestierten. Die Abschiebekandidaten haben wohl hörbar gelitten und sind ziemlich rüde behandelt worden. Bei youtube gibt es ein Video, das einer der Passagiere gedreht hat. Ich kann´s nicht finden – was ist das richtige Stichwort auf französisch? Mich hat erschreckt, daß in der Tendenz des Berichts die Passagiere, die Zivilcourage zeigten, eher negativ, als Störenfriede weg kommen. Der Chef der Polizeigewerkschaft sagt z.B., daß er hoffe, jedweder Widerstand gegen die Arbeit der französischen Polizei werde hart bestraft; der Schlußkommentar ging in die Richtung, es würden Möglichkeiten gesucht, es Störenfrieden schwerer zu machen.
In den letzten Wochen habe ich versucht, einem Filmemacher aus Simbabwe dabei zu helfen, ein Visum nach Großbritannien zu bekommen, um dort ein gemeinsames Projekt zu machen. Wir sind vorerst gescheitert. Die britische Botschaft glaubt einfach nicht daran, daß irgendein schwarzer Simbabwer wieder in seine Heimat zurückkehren wird. Das ist in diesem Fall bizarr, weil Norbert Fero auch zum Thema seiner Arbeit macht, daß er die Abwanderung der schwarzen Mittelschicht für völlig falsch hält.
Bizarr sind auch die Methoden, mit denen schon bei der Visa – Beantragung Hürden aufgebaut werden. An der hotline der Botschaft in Harare werden von einer Tonbandstimme Webseiten verlesen, auf denen man sich zunächst informieren soll. Wie wir alle wissen, ist Afrika bei der Verbreitung von Internetzugängen ja ganz weit vorne! Visa müssen bei fedex abgegeben werden, jeglicher persönliche Kontakt zur Botschaft soll wohl vermieden werden. Als ich beim Konsulat in Düsseldorf anrufe, um mich zu informieren, werden mir nicht nur Webseiten vorgelesen, ich werde angewiesen, für weitere Informationen die hotline anzurufen, jeder Anruf dort koste pauschal 12 (!!!) Dollar. Na prima, daß schließt ja große Teile der potenziellen Kundschaft davon aus, sich Infos zu besorgen. Nur durch minutenlanges stoisches Warten am Telefon und Ignorieren aller Tips und Hinweise bekam ich schließlich die Chance, mit einem Mensch aus Fleisch und Blut zu sprechen.
Das alles erscheint für mich in einem seltsamen Spiegellicht aus der Vergangenheit. Ich lese grad eine Biographie über Kurt Schwitters, dort werden knapp die Probleme für Schwitters und andere deutsche Künstler besprochen, auf der Flucht vor dem NS Regime Visa oder eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Was ich dort lese, begegnet mir seltsam vertraut wieder bei den Anlaufstellen der europäischen Union.
Hans Nieswandt schreibt in seinem Buch „Disko Ramallah“, daß der Bundesgrenzschutz in Frankfurt aus Russland kommende Maschinen gleich an der Gangway kontrolliert. So müssen sich Einreisende ohne Visum nicht erst die Mühe machen, kilometerweit durch den Flughafen zu laufen. Sie können gleich im Flugzeug sitzen bleiben.
Kurt Schwitters ist übrigens mit dem letzten Eisbrecher aus Norwegen den Deutschen entkommen, ohne Visum.