Als Bahnpendler in der Wissenschaft gebe ich scheinbar mehr als 2.000,- € pro Jahr für Bahntickets aus, jedenfalls habe ich jetzt Bahn Comfort Status erreicht. Jetzt kann ich abseits vom Getriebe in DB-Lounges chillen und mir dabei endlose Koffein-Infusionen geben oder in überfüllten Zügen weniger privilegierte Mitreisende auffordern, einen Sitzplatz für mich zu räumen. Ist es das, was man Elite nennt? Oder strukturelle Ungleichheit? Jedenfalls fällt mir im Moment keine andere Situation (in meinem kleinen Altagsleben) ein, in der ich Ungleichheit derartig performativ hergestellen kann.
Aber deshalb schreibe ich eigentlich gar nicht. Was mich als Popwissenschaftler dazu treibt, über das Comfortkunde werden zu schreiben, ist das Anschreiben. Zum ersten Mal erreicht mich kein DIN C6 Umschlag sondern ein quadratisches Pappcover, von einer transparenten, wiederverschließbaren Plastikhülle umgeben. Das verdammte Ding sieht aus wie … eine etwas zu groß geratene Single und ist auch noch plattentypisch verpackt. Fällt das nur mir auf? Der Bezug wird in den Drucksachen nirgendwo aufgegriffen. Da hat vielleicht einfach wieder ein Szene-sozialisierter Graphiker ein ihm vertrautes Formprinzip in sein (möglicherweise prekäres) Jobleben übernommen. Indie ist der neue Mainstream, Teil 256.