Der amerikanische Singer/Songwriter Jonathan Coulton wurde vor einiger Zeit gewahr, dass seine Version des Sir Mix-A-Lot Raps „Baby Got Back“ von der Castingshow „American Idol“ verwendet wurde, und zwar offenbar nicht nur seine vom Original gänzlich verschiedene kompositorische Bearbeitung inkl. einer von ihm geänderten Textzeile, sondern sogar die Aufnahme, wie dieser A/B Vergleich (linker Kanal/rechter Kanal) nahelegt. American Idol verkauft die neue Version auch auf iTunes etc.
Hier zum Vergleich das Original von Sir Mix-A-Lot:
Jonathan Coulton berichtet von diesem Vorfall in zwei Blogposts (Quelle: blogpost 1, blogpost 2) und kommt nach einer kurzen Auseinandersetzung mit der Produktionsfirma von American Idol zu dem Schluß, dass er nichts dagegen machen kann. Denn: er hat seine Version als Coverversion angegeben, als er die Rechte für seine Version anmeldete, hat also seinen kreativen Anteil in der Bearbeitung der Musik unter den Tisch fallen lassen. Offiziell ist seine Version eine 1:1 Kiopie des Originals und damit kann er diese Rechte nicht geltend machen.
Wie konnte das passieren?
Ich weiß nicht genau, wie der Lizensierungsprozess in den USA aussieht, aber ich kann schildern, wie es hier in Deutschland läuft, und das Resultat ist ähnlich. Lassen wir die Sache mit der Aufnahme mal kurz beiseite und widmen uns der Komposition. Die Rechte an einem Song beziehen sich auf zwei Dimensionen: Text und Musik, dementsprechend Texter und Komponist. Wenn jetzt jemand eine Bearbeitung vornimmt, muss er das bei der GEMA anführen, die dafür die Kategorie Bearbeiter vorgesehen hat.
Die Tantiemen, die der Originalsong einspielt, werden zwischen Texter und Komponist aufgeteilt. Bei der musikalisch bearbeiteten Version erhält der Texter den gleichen Anteil, den Anteil für die Musik müssen sich Texter und Komponist teilen. Der Komponiost bekommt also weniger, weil seine Leistung nur einen Teil der in der Bearbeitung hörbaren Leistung ausmacht. So weit, so logisch und gerecht, vom Gedanken her.
Nun ist es aber leider so, dass ein Bearbeiter den Komponisten oder jeweiligen Rechteinhaber fragen muss, ob er eine Bearbeitung vornehmen darf. Dadurch ist er in einer schlechten Verhandlungsposition. Entweder, er bietet für die Rechte Geld, oft lautet das Angebot der Rechteinhaver jedoch schlicht: Genehmigung unter der Bedingung, dass die Bearbeitung als Coverversion deklariert wird. Es wird also ein Vertrag geschlossen, der noch weiter geht, als das der Bearbeiter auf sämtliche Rechte an seinen Leistungen verzichtet; er macht seine Rechte nicht-existent, tut so, als gäbe es diese Leistung nicht.
Dadurch ist auch in Deutschland möglich, was Jonathan Coulton passiert ist. Kopiert nun jemand anders die Bearbeitung und gibt sie seinerseits als Coverversion des Originals an, so hat der eigentliche Bearbeiter keine rechtliche Handhabe; seine Rechte existieren ja gar nicht, er hat das Werk ja selbst als 1:1 Kopie angegeben.
Wie gesagt, der Deal, Bearbeitungsrechte gegen Registrierung als Coverversion ist branchenüblich, er bringt das Resultat, dass alle Tantiemen für die Musik an den ursprünglichen Komponisten gehen, als eine unbürokratische, schnelle Regelung einer kontinuierlichen Lizenzzahlung durch den Bearbeiter (=100% der Bearbeitungstantiemen für den ursprünglichen Komponisten). Wie wir sehen können, bringt der Deal für den Bearbeiter neben dem finanziellen Verzicht auch weitere, substantielle Nachteile und es öffnet sich ein Markt für Plagiatsfischer, die Veröffentlichungen systematisch nach als Coverversionen deklarierten Bearbeitungen absuchen können, um sie anschließend umstandslos verwenden zu können.
Wie könnte man dem abhelfen? Z.B. in dem man, wie Lawrence Lessig vorschlägt, die Erlaubnispflicht zur Bearbeitung in eine Registrierungspflicht umwandelt. Das würde die Machtverhältnisse grundlegend verschieben und den selbstverleugnenden Deal verhindern. Dann muss der Bearbeiter die Rechtsinhaber und Verwertungsgesellschaften nur noch über seine Bearbeitung informieren und bekommt automatisch den ihm zustehenden Anteil an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften. Vor Plagiaten ist er dann ebenfalls geschützt.